Vor einiger Zeit gab es im Fernsehen eine Kuppel-Show namens „Schlüsselreize“. Bei dieser Show sollten die Singles anhand der Wohnungen entscheiden, ob sie den anderen treffen wollen oder nicht. Der Gedanke, der hinter diesem Format steht, ist keineswegs so absurd, wie es zunächst klingt. Anhand der Wohnungseinrichtung kann man nämlich tatsächlich einiges über den Charakter einer Person erfahren. Auch wer zum ersten Mal die Wohnung eines Bekannten betritt, wird anschließend das Gefühl haben, sein Gegenüber jetzt viel besser zu kennen. Diesem Phänomen widmet sich eine noch recht junge Wissenschaft: die Wohnpsychologie. Sicherlich lassen sich Einrichtungsstile nicht allein psychologisch erklären: Auch das verfügbare Vermögen, Modetrends, die kulturelle Prägung und die aktuelle Lebenssituation wirken sich darauf aus, wie wir unser Schlaf- oder Wohnzimmer einrichten. All diese Aspekte stehen jedoch stets in Wechselwirkung mit unserer Persönlichkeit. Selbst wenn man sich im Grunde überhaupt nicht für Einrichtungsfragen interessiert oder sämtliche Dekors reine Fassade sind, kann das die Lebenseinstellung und die geheimen Wünsche entlarven. In diesem Sinne untersucht die Wohnpsychologie nicht nur die Auswirkungen von Einrichtung und Wohnumfeld auf unser Wohlbefinden, sondern auch, was es über uns aussagt, wenn beispielsweise unser Lieblingsplatz ein schwarzer Ledersessel ist. – Welcher Charaktertyp bist du? 1.) Der Junggesellentyp Typisch Männerbude, denken viele: Eine Yuccapalme vertrocknet in der Ecke, die Rollos sind halb heruntergelassen, drei Fußballpokale stauben auf dem Regalbrett ein. Ansonsten konzentriert sich das Mobiliar im Wesentlichen auf Bett, Couch und Wohnzimmertisch. Der Junggesellentyp – zu dem durchaus auch Frauen gehören können – will sich um solch häusliche Angelegenheiten wie Einrichtung, Wäschewaschen oder Geschirrspülen keine großen Gedanken machen. Insgeheim, so vermutet Wohnungspsychologe Uwe Linke, lebt er noch bei Mutti und hofft, dass sich in Zukunft der Partner um diese Angelegenheiten kümmern wird. „Das sind eher Jungs, die nie erwachsen geworden sind“, sagt Linke. Spaß und die eigene Karriere stehen im Vordergrund. Der Junggesellentyp ist sehr gesellig und aufgeschlossen, will aber noch keine Verantwortung übernehmen. In den meisten Fällen hat das ja auch noch Zeit.
2.) Der natürliche TypDie zeitlos wirkenden Möbel sind einfach und stabil, auch einige Erbstücke befinden sich darunter. Eine gute Beleuchtung sorgt dafür, dass Ablageflächen stets genutzt werden können. Naturmaterialien wie Holz und Stein laden zu Ruhe und Erholung ein. Beständigkeit und Selbstverwirklichung sind dem natürlichen Typ wichtiger als die Ansammlung von Besitz. Nach Uwe Linke verrät der eher verspielte Landhausstil dabei die stille Sehnsucht nach einer heilen Welt. Holz in warmen Honigtönen deutet auf die Sehnsucht nach emotionaler Wärme hin. Liebhaber des skandinavischen Stils trägt hingegen das Bedürfnis nach Einfachheit und Klarheit. Authentizität ist ihnen im zwischenmenschlichen Umgang sehr wichtig: Sie wollen so angenommen werden, wie sie sind.
3.) Der organisierte TypKaum betritt man die Wohnung, fühlt man sich willkommen. Helle Farben, große Fenster und ein offener Grundriss lassen das Licht durch die Zimmer strömen. Die Einrichtung ist modern. Schränke, Teppich und Couch sind perfekt aufeinander abgestimmt. Die sparsame Deko setzt klare Akzente. So wie der organisierte Typ selbst, wirkt auch seine Wohnung geradeheraus, pragmatisch und zupackend. Hier weiß jemand, was er will, und belastet sich nicht mit unnötigem Plunder. Allerdings ist er auch ein wenig rastlos: Nichts darf dem Zufall überlassen werden, weil einem sonst alles entgleitet. Auch will der organisierte Typ nicht zu viel von sich preisgeben oder gar anecken – Harmonie ist ihm wichtiger als Individualität.
4.) Der quirlige TypGanz anders der quirlige Typ: Kunterbunt ist nicht nur die Farbe seiner Tapete, auch die Möbel sind stilistisch wild durcheinandergewürfelt, die zahlreichen Deko-Artikel und Erinnerungsstücke zeugen von Reisen und Kontakten in alle Welt. Dass das Sofa von Ikea stammt, fällt niemandem auf, da es wie all die anderen Stücke individuell gestaltet und unkonventionell aufgestellt wurde: Statt ängstlich an der Wand zu stehen, lässt es Platz für Bewegung. Zitrusfarben sollen Lebensfreude verströmen – diese kommt allerdings erst auf, wenn Freunde da sind. Der quirlige Typ ist nämlich ungern allein: Er braucht Aufmerksamkeit und Abwechslung. Überwiegt der Zwang zur Veränderung und wird die Wohnung ständig umgeräumt, kann das aber auch ein Zeichen innerer Unzufriedenheit sein. Vor allem, wenn das Ergebnis der Umstellung stets unbefriedigend ausfällt, sollte man erst einmal mit sich selbst ins Reine kommen.
5.) Der distanzierte TypModern und elegant, aber auch ein wenig kühl und unpersönlich wirkt die Wohnung des distanzierten Typs. Schwarz trifft auf Weiß, glänzend polierte Oberflächen betonen die klaren Formen des Mobiliars. Dem distanzierten Typ ist Sauberkeit sehr wichtig. Seinen schwarzen Ledersessel bietet er Gästen nur ungern an, dafür hat er auserlesenen Wein und einen riesenhaften Flatscreen-Fernseher. In den Regalen stehen vorwiegend Sachbücher. Hinter der glatten Oberfläche steckt, wie Wohnpsychologen herausgefunden haben, nicht selten die Angst vor Verletzungen. Gefühle werden nur ungern gezeigt. Der distanzierte Typ zeigt lieber Statussymbole und überzeugt durch eine perfektionistische Umsetzung momentaner Trends.
6.) Der emotionale TypAn beinah jeder Wand hängen Familienfotos, selbstgemalte Bilder der Kinder und Erinnerungsstücke. Eine gemütliche, mit Stoff bezogene Sofaecke breitet sich im Wohnzimmer aus. Das Polster ist mit vielen Kissen und Decken drapiert. Immer in greifbarer Nähe: Zeitschriften und Fernbedienung. Der emotionale Typ liebt warme Farben und geschützte Nischen, ist gleichzeitig aber auch extrovertiert – ein richtiger Familienmensch eben, zu dem man allezeit auf eine Tasse Kaffee und ein gutes Gespräch kommen kann. Neues nimmt der emotionale Typ interessiert zur Kenntnis, bleibt dann aber doch lieber beim Gewohnten. Harmonie und persönliche Beziehungen sind ihm wichtig.
7.) Der nach Anerkennung suchende TypJeder Mensch hat Idealvorstellungen, will zu einer bestimmten Gruppe dazugehören und richtet sich dementsprechend ein. Das Streben nach Anerkennung ist in jedem mehr oder minder vorhanden. Doch wenn das „Breakfast at Tiffanys“-Poster in XXL über dem Esstisch prangt und die Einrichtung einem Ikea-Katalog entsprungen zu sein scheint, ist dies nicht selten Ausdruck einer gewissen Unsicherheit sowie eines geringen Selbstwertgefühls. Diesem Wohntyp geht die Akzeptanz seiner Umgebung über alles. Klar: Die aktuellen Trends können einem auch schlicht gefallen – der nach Anerkennung suchende Typ möchte aber ganz bewusst dem Mainstream angehören, da er seiner eigenen „Handschrift“ nicht traut. Das ist aber auch ganz in Ordnung so. Mainstream sind schließlich, wie der Name schon sagt, die meisten.
„Je persönlicher das Zuhause eingerichtet ist, desto mehr fühlt man sich dort daheim“, betont Nicole Zülli, Wohnpsychologin aus der Schweiz. Bei der Charakterisierung der Wohntypen geht es also nicht darum, was richtig und was falsch ist. Vielmehr sollen die Menschen ein Gespür dafür entwickeln, wie sie sind und wo sie sich wohlfühlen. „Sie sollten sich fragen, ob Sie mit Ihrer Wohnung etwas ausdrücken wollen oder sich lieber mit ganz persönlichen Dingen umgeben möchten“, rät Barbara Perfahl. So ist dem distanzierten Typ nicht geholfen, wenn er seine Wände plötzlich orange streicht und seine Couch mit Kissen vollstopft. Umgekehrt würde ein quirliger Typ in einer rein weißen, immerzu aufgeräumten Wohnung an Reizmangel eingehen. Die Wohntypen in diesem Persönlichkeitstest sind selbstverständlich nur grobe Schablonen. Wichtig ist, dass man seine eigenen Bedürfnisse kennenlernt, anstatt die Wohnung nach irgendwelchen Dogmen einzurichten. Eine unpassende Wohnung kann sich nämlich auf unser gesamtes Wohlbefinden auswirken.