„Bekomm du erstmal Kinder, dann weißt du, wovon ich rede!“ – Hast du diesen Satz schon einmal gehört oder ihn vielleicht selbst schon zu einer Freundin gesagt? In unserer Gesellschaft gehört es zum guten Ton, Kinder zu bekommen. Mann und Frau gründen gemeinsam eine Familie und leben glücklich und zufrieden mit dem putzigen Nachwuchs im Vorstadt-Reihenhaus – so weit, so gut und so antiquiert. Denn immer mehr, vor allem junge Frauen entscheiden sich ganz bewusst gegen ein Kind und für ein Leben ohne Nachwuchs.
Wenn du eine kinderlose Frau zwischen 25 und 40 Jahren bist, kennst du die Situation bestimmt, wenn auf einer Familienfeier der beschwipste Onkel von dir wissen möchte, wann es denn bei dir „endlich so weit ist“. Oder du findest dich auf einer Party wieder und lehnst aus diversen Gründen das Gläschen Sekt ab und schon wirft man dir einen wissenden Blick auf deinen Bauch zu. Wenn diese Situationen nicht völlig unangemessen, unangebracht und vor allem übergriffig wären, könnte man herzhaft darüber lachen. Wird man als Frau wirklich nur mit einem Baby auf dem Arm akzeptiert?
Leben ohne Nachwuchs: Immer mehr Frauen sind gewollt kinderlos
Kinder zu haben, ist etwas ganz Wundervolles! Und keine Kinder zu haben, ist ebenfalls wundervoll. Doch das Bild der glückseligen Mutter ist gesellschaftlich anerkannter als das der glücklichen kinderlosen Frau. Wenn eine Frau keine Kinder bekommt, wird automatisch angenommen, dass sie ungewollt kinderlos ist und aufgrund verschiedener Gründe keine Kinder bekommen kann. Dass sich Frauen bewusst gegen ein Kind entscheiden und gewollt kinderlos sind, entspricht nicht der Normalvorstellung.
Dabei hat Claudia Rahnfeld, Professorin für Sozialwissenschaften an der Dualen Hochschule Gera-Eisenach, gemeinsam mit ihrer Kollegin Annkatrin Heuschkel in einem Forschungsprojekt herausgefunden, dass sich immer mehr Frauen gegen Kinder entscheiden – und dies ganz bewusst. Hierfür wurden 1.100 Frauen zwischen 18 und 45 Jahren hinsichtlich ihrer gewollten Kinderlosigkeit befragt.
Überraschend ist, dass sich 42 Prozent der befragten Frauen bereits vor ihrem 18. Lebensjahr für ein kinderloses Leben entschieden haben, acht von zehn Frauen fällen diese Entscheidung bis zu ihrem 30. Geburtstag.
Das sind die Gründe für die gewollte Kinderlosigkeit
Die Studie, zeigt, „dass die Frauen mehrheitlich in glücklichen Partnerschaften leben und sich bewusst gegen Kinder entscheiden, weil sie den Kinderwunsch schlichtweg nicht haben. Sie sind sich bewusst, was Kinder bedeuten, wie viel Zeit und Energie sie benötigen. Und sie möchten ihre freie Zeit anders gestalten“, so Professorin Claudia Rahnfeld. Eine untergeordnete Rolle spielen hingegen die Karriereplanung oder die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern.
Als persönliche Gründe der Frauen gegen eigenen Nachwuchs wurden die folgenden genannt:
- mehr Freizeit zur Verfügung (82 Prozent)
- größere Möglichkeit zur Selbstverwirklichung (80 Prozent)
- Freiheit von Verantwortung in der Kindererziehung (73 Prozent)
- Sorge vor Überforderung (52 Prozent)
- Angst vor Schwangerschaft oder Geburt (46 Prozent)
- Ablehnende Haltung gegenüber Kindern (44 Prozent)
- Zweifel an eigenen elterlichen Fähigkeiten (41 Prozent)
Aber auch Angst vor Belastung der Partnerschaft (39 Prozent), finanzielle Vorteile (64 Prozent) und eine kinderfeindliche Gesellschaft (21 Prozent) wurden als Gründe genannt. Doch der Entschluss, keine Kinder zu bekommen, ist in der Regel eine aktive Entscheidung, die wenig mit äußeren Gegebenheiten zu tun hat, so Claudia Rahnfeld.
Kinderlosenquote weiterhin konstant
In Deutschland liegt die Kinderlosenquote seit zehn Jahren konstant bei 20 Prozent (Stand 2022). Sie bezieht sich auf den Anteil der Frauen ohne leibliche Kinder an allen Frauen, die 2022 im Alter zwischen 45 und 49 Jahren waren (Geburtsjahrgänge 1973 bis 1977). Hierbei wird jedoch nicht zwischen gewollter oder ungewollter Kinderlosigkeit unterschieden.
Die temporäre Kinderlosigkeit im Alter unter 35 Jahren war im Jahr 2022 in West- und in Ostdeutschland höher als im Jahr 2012. Dies kann zum einen an der späteren Familiengründung liegen und zum anderen ein Hinweis auf einen weiteren Anstieg der endgültigen Kinderlosigkeit sein.
Egal, ob gewollt oder ungewollt kinderlos oder ein Haus mit einer reichen Kinderschar: Die Frage nach dem Nachwuchs geht schlichtweg niemanden außerhalb einer Beziehung etwas an.
Quelle: hallo-eltern.de, mdr.de, destatis.de
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